Neue Rechtslage: Gleichbehandlungsgesetz

1. Große Aufmerksamkeit hat das neue Gleichbehandlungsgesetz insbesondere im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht gefunden. Obgleich dabei nicht vernachlässigt werden darf, dass aufgrund der Rechtsprechung bereits seit langer Zeit ein allgemeiner arbeitsrechtlicher Gleichheitsgrundsatz existiert, trifft das neue Gesetz eine Reihe von beachtlichen Neuregelungen, die insbesondere jedem Arbeitgeber bekannt sein müssen.

Geschützt vom Anwendungsbereich des neuen Gesetzes sind prinzipiell alle Arbeitnehmer, Auszubildenden und arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen. Als Beschäftigte gelten auch Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Der sachliche Anwendungsbereich besagt, dass Beschäftigte im vorgenannten Sinne nicht aufgrund der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden dürfen. Bestimmungen und Vereinbarungen, die hiergegen verstoßen, sind unwirksam. Eine Benachteiligung in diesem Sinne ist zugleich als Verletzung vertraglicher Pflichten aufzufassen. Einige Bereichsausnahmen besagen, dass der sachliche Anwendungsbereich nicht für die betriebliche Altersrente des Betriebsrentengesetzes oder für den Kündigungsschutz (die Rechtmäßigkeit und damit die Wirksamkeit einer Kündigung richtet sich alleine nach dem Kündigungsschutzgesetz) gilt, soweit dies Anwendung findet. Bekanntlich findet in den ersten sechs Monaten eines Beschäftigungsverhältnisses das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. In diesem Bereich dürfte zukünftig streitig werden, ob das Gleichbehandlungsgesetz gilt.

2. Eine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung nach dem neuen Gesetz - beide "Begehungsformen" fallen unter das Gesetz - liegt dann nicht vor, wenn eine Ungleichbehandlung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Zudem ist eine ungleiche Behandlung erlaubt, wenn z.B. der Diskriminierungsgrund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen der Ausübung der Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und den Anforderungen angemessen ist. Hier wird im Zweifel aufgrund der Unbestimmtheit dieser gesetzgeberischen Aussagen die Rechtsprechung entscheiden, welche Merkmale hierunter fallen.

Auf den ersten Blick erstaunlich ist, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters immer dann zulässig sein soll, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist; auch hier gilt das Vorstehende. Die Gesetzesmerkmale sind unbestimmt, und werden zukünftig durch die Rechtsprechung mit Klarheit versehen werden müssen.

Wie sich die Berücksichtigung des Alters nach dieser Maßgabe auf die Sozialauswahl auswirkt, ist noch völlig offen. Denn grundsätzlich ist das Alter als eines von vier Kriterien bei der Sozialauswahl zwingend zu berücksichtigen, die neue Gesetzeslage sieht jetzt allerdings vor, dass eine Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl nur zulässig sein soll, soweit dem Alter kein genereller Vorrang gegenüber anderen Auswahlkriterien zukommt, sondern die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden. Wie dies in Übereinklang zu bringen ist, ist derzeit noch völlig offen.

3. Durch die neue Gesetzeslage werden den Arbeitgebern eine Reihe neuer Pflichten auferlegt. So ist der Arbeitgeber beispielsweise verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen im Sinne dieses Gesetzes zu treffen und auch präventive Maßnahmen einzurichten. Hierzu bedarf es nachweisbarer Organisationsmaßnahmen. Der Arbeitgeber soll ferner in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit von Benachteiligungen nach der neuen Gesetzeslage hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Der Arbeitgeber kann sich dadurch exkulpieren, dass er den Nachweis erbringt, seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult zu haben.

Im Falle eines durch den Arbeitgeber festgestellten Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßgaben zur Unterbindung zu ergreifen. Dies kann eine Abmahnung, eine Umsetzung, Versetzung oder auch eine Kündigung sein. Sonstige geeignete Schutzmaßnahmen hat der Arbeitgeber zu ergreifen.

Schließlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, das neue Gesetz neben § 61 b des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden nach diesem Gesetz zuständigen Stellen im Betrieb oder der Dienststelle bekannt zu machen. Die Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder den Einsatz der im Betrieb oder der Dienststelle üblichen Informations- und Kommunikationstechnik erfolgen.

4. Zukünftig wird der Arbeitgeber insbesondere darauf zu achten haben, dass, wie oben ausgeführt, generell hinsichtlich des Verbots von Benachteiligungen Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis den Beschäftigten gleichgestellt werden. Das Verbot der Diskriminierung in Personalauswahlverfahren dürfte daher für die Praxis einen ganz wesentlichen Schwerpunkt bilden. Der Arbeitgeber wird in Zukunft zusätzlich und gesondert darauf achten müssen, dass er das Auswahlverfahren möglichst umfassend dokumentiert.

5. Verstöße gegen benachteiligende Vereinbarungen sind unwirksam. Für die Vergangenheit kann ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot in der Regel nur durch eine Anpassung geheilt werden. Was zukünftige Regelungen angeht, so besteht die Möglichkeit, von einem Gleichstellungsanspruch oder von einer Anpassung der Gesamtregelung auszugehen. Dies gilt umso mehr, als dass der Europäische Gerichtshof dem Schutz vor Ungleichbehandlung gegenüber dem Gebot der Tarifautonomie Priorität einräumt.

Dem Beschäftigten steht im Falle einer Belästigung ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wonach er seine Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einstellen darf, sofern der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung der Belästigung ergreift. Das Risiko einer Fehleinschätzung liegt allerdings beim Arbeitnehmer.

Die wohl schärfste Waffe dürfte der Schadenersatz- oder Entschädigungsanspruch des Beschäftigten sein. Es handelt sich hierbei um eine Haftungsnorm des Arbeitgebers für den Ersatz aller Schäden, die einem Beschäftigten durch eine ungerechtfertigte Benachteiligung entstehen. Neben dem materiellen Vermögensschaden (Schadenersatz) sind auch immaterielle Schäden (Entschädigung) geregelt. Beide Ersatzansprüche stehen unabhängig nebeneinander.

Für die Frage des Verschuldens beim Ersatz von Vermögensschäden besteht eine Beweislastumkehr zugunsten des Beschäftigten. Auch bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitgeber. Klargestellt ist in dem neuen Gesetz, dass im Falle des Verstoßes des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot kein Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses besteht, es sei denn, dass ein solches sich aus einem anderen Rechtsgrund ergibt. Also hat der Arbeitgeber als Ersatz den Beschäftigten bzw. Benachteiligten wirtschaftlich so zu stellen, wie er stünde, hätte er ihn eingestellt. Dies bedeutet in der Regel den Ersatz entgangener Vergütung, wobei anderweitiger Verdienst anzurechnen ist. Es fehlt allerdings eine Höchstbegrenzung. Das max. Risiko des Arbeitgebers besteht theoretisch also darin, bis zum Renteneintritt des Beschäftigten bzw. Benachteiligten die Einkünfte des Bewerbes aufzustocken, weil dieser keine gleichwertige Beschäftigung mehr findet. Bereits jetzt wird diskutiert, ob ein solcher Schadenersatzanspruch möglicherweise bis zur ersten fiktiven Kündigungsmöglichkeit während der Probezeit begrenzt werden kann. Auch hier werden die Gerichte erst im Laufe der Zeit Klarheit schaffen.

Der Entschädigungsanspruch umfasst auch immaterielle Schäden. Das Gesetz gibt hier keinen Hinweis darauf, dass ein Verschulden des Arbeitgebers Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist. Hinsichtlich der Höhe des Entschädigungsanspruchs hat sich der Gesetzgeber immerhin dazu entschlossen, die Regelung des bisherigen § 611 a BGB zu übernehmen. Hiernach darf der Entschädigungsanspruch im jeweiligen Einzelfall drei Monatsgehälter nicht übersteigen. Fehlerhafte Auswahlprozesse bei der Bewerbereinstellung können allerdings gleichwohl für den Arbeitgeber erhebliche Risiken bergen, daher ist eine "gerichtsfeste" Organisation und Dokumentation dringend zu empfehlen.

Nach allgemeinen Maßgaben kann der Arbeitgeber auch für das Fehlverhalten Dritter, also seiner Führungskräfte und auch ggfls. sonstiger Angestellter haften. Dieser Haftung kann er ggfls. dadurch entgehen, dass er nachweist, seine Mitarbeiter in gehöriger Weise geschult und ausgewählt zu haben.

6. Will sich ein Beschäftigter auf eine Benachteiligung im Sinne der neuen Rechtslage berufen, muss er, wenn und soweit tarifvertraglich nicht zulässigerweise Anderes vereinbart ist, den Anspruch innerhalb von zwei Monaten gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend machen. Allerdings beginnt die Frist erst mit der Kenntnis von der Benachteiligung, im Falle von Bewerbungen und Beförderungen mit dem Zugang der Ablehnung. Auch von daher ist jedem Arbeitgeber künftig zu empfehlen, nicht nur den Ablauf der Bewerbungsverfahren zu dokumentieren, sondern auch den Zeitpunkt des Zugangs festzuhalten. Wurde der Anspruch erfolglos schriftlich geltend gemacht, muss der Beschäftigte innerhalb von zwei Monaten eine etwaige Klage auf Schadenersatz oder Entschädigung einreichen. Aufgrund der Bereichsausnahme des Kündigungsschutzes gilt für die Geltendmachung der Unwirksamkeit eine Kündigung weiterhin die kurze Klagefrist von drei Wochen, unabhängig davon, ob die Kündigung u.U. diskriminierende Züge im Sinne der neuen Rechtslage aufweist.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber zugleich mit der neuen Rechtslage sogenannte Antidiskriminierungsverbände zugelassen hat, durch die sich ein Benachteiligter vor Gerichten, die nicht dem Anwaltszwang unterliegen, als Beistand unterstützen lassen kann.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass auch im übrigen Zivilrechtsverkehr die neue Rechtslage nicht unerhebliche Neuerungen mit sich bringt

30. Oktober 2006 Gleichbehandlungsgesetz