Reform des GmbH-Rechts

Über den Verlauf des langwierigen Gesetzgebungsverfahrens hatten wir informiert; dies hat auch deshalb nicht unerhebliche Zeit in Anspruch genommen, weil der ursprüngliche Referentenentwurf noch zahlreiche Änderungen infolge von Sachverständigenanhörungen, Vorschlägen des Bundesrats usw. erfahren hat. Der aktuelle Sachstand lautet, dass das Gesetz am 01.11.2008 in Kraft treten soll. Der Inhalt ist, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, wie folgt vorgesehen:

1. Die Gründung einer GmbH soll künftig in vielfacher Hinsicht erleichtert werden. Die standardmäßige Herabsetzung des Mindeststammkapitals von 25.000,00 EUR auf 10.000,00 EUR hat sich nicht durchsetzen können.

Die GmbH kann jetzt allerdings grundsätzlich bereits mit einem Stammkapital von 1,00 EUR gegründet werden. Die Einführung dieser sogenannten haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) ist ein Kernpunkt der GmbH-Novelle:

a) Zum einen bleibt damit der Anspruch im Rechtsverkehr auf eine Haftungsbeschränkung befriedigt. Der Ltd. als "Konkurrenz" bedarf es daher aus gesetzgeberischer Sicht nicht mehr.

b) Auch der Bedarf an geringer Kapitalausstattung, insbesondere für Existenzgründer, entspricht dem Ziel des Gesetzgebers, die GmbH interessanter zu gestalten.

c) Schließlich lässt sich auch die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft mit Rechtsformkombinationen verwenden, beispielsweise in der UG & Co. KG/oHG usw.

Klarzustellen ist, dass die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft keine neue Rechtsform ist, sondern eine GmbH, die allerdings ohne das gesetzliche Mindeststammkapital gegründet werden kann. Die UG darf allerdings etwaige Gewinne nicht vollständig an die Gesellschafter ausschütten, sondern muss 1/4 des um etwaige Verlustvorträge gekürzten Gewinns in eine gesetzliche Rücklage einstellen, um das Mindeststammkapital einer GmbH in Höhe von 25.000,00 EUR anzusparen. Sobald dieser Zeitpunkt erreicht ist, muss die UG nicht mehr die Bezeichnung "Unternehmergesellschaft (Haftung beschränkt)" oder "UG (Haftung beschränkt)" führen. Eine Pflicht zum Weglassen der Bezeichnung oder zum Erreichen der "vollen" Stammkapitalsumme von 25.000,00 EUR besteht indes nicht.

2. Dem Gesetz ist sowohl das Muster einer Satzung als auch eines Geschäftsführerdienstvertrages und auch einer Gesellschafterliste beigefügt. Die Unterschriften der Gesellschafter müssen auch bei Verwendung der Muster öffentlich beglaubigt werden. Diese Muster können verwendet werden bei einer Gründung mit max. drei Gesellschaftern und einem Geschäftsführer und sollen den Beratungsaufwand reduzieren. Die mustermäßige Handhabung bedeutet, dass außer den Einfügungen in den Mustern vorgegebenen Feldern keine weiteren Ergänzungen und/oder Änderungen vorgenommen werden dürfen. Jede weitere Änderung löst zugleich die Beurkundungspflicht aus. Beim Gegenstand eines solchen Unternehmens mit Verwendung der vorgenannten Muster kann nur alternativ zwischen dem Handel einerseits, der Produktion von Waren andererseits und Dienstleistungen gewählt werden. Andere Geschäftsgegenstände sind nicht möglich. Eine Kumulierung der Gegenstände des Unternehmens ist ebenso wenig möglich.

Wir bleiben dabei, dass eine derartige musterhafte Handhabung bei der GmbH nach unserer Meinung keine durchgreifenden Vorteile mit sich bringt, sondern die Nachteile gravierend überwiegen, da individuelle Notwendigkeiten nicht umgesetzt werden können.

3. Gesellschaftsanteile müssen künftig nur noch auf volle Euro lauten und nicht mehr durch 50 Euro teilbar sein. Ein Gesellschafter kann mehrere Anteile, auch mit verschiedenen Beträgen, übernehmen und halten.

4. Der Gründungserleichterung dienen soll auch die Änderung von Vorschriften der Gewerbeordnung und begleitender Gesetze, wonach das Erfordernis der Vorlage einschlägiger staatlicher Genehmigungsurkunden zum Nachweis öffentlich-rechtlicher Genehmigungen entfällt.

5. Zur beschleunigten Eintragung der GmbH soll führen, dass die Kompetenzen des Registergerichts bei der Überprüfung der Gründungsvoraussetzungen hinsichtlich der Werthaltigkeit von Bar- und Sacheinlagen erheblich reduziert werden. Nur "erhebliche Zweifel" im Hinblick auf die Wertangaben und die Ansicht, es liege eine nicht unwesentliche Überbewertung von Einlagen vor, berechtigen das Registergericht künftig zur Zurückweisung eines Eintragungsantrags. Erhebliche Schwierigkeiten hat in der Vergangenheit ein Gesellschafter zu bewältigen gehabt, auch noch erhebliche Zeit nach Gründung der GmbH, wenn ihm eine sogenannte verdeckte Sacheinlage nachgewiesen wurde. Dies betraf Fälle, in denen kurz nach der Bargründung einer GmbH mit Gesellschaftsmitteln Vermögensgegenstände von Gesellschaftern übernommen werden, beispielsweise Geschäftsausstattungen, Fahrzeuge, oder dergleichen, und dies bei der Gründung bereits geplant war.

Die bisherige Rechtsprechung ging davon aus, dass dann die Bareinlage nicht wirksam erbracht wurde, so dass die Gesellschafter insbesondere im Falle einer Insolvenz nach erheblicher Zeit noch damit rechnen mussten, vom Insolvenzverwalter auf nochmalige Erbringung der vollen Bareinlage in Anspruch genommen zu werden. Die gesetzliche Neufassung soll dies korrigieren. Zwar wird auch künftig selbstverständlich der Gesellschafter nicht von seiner Einlagepflicht befreit, wenn er eine verdeckte Sacheinlage leistet. Allerdings wird künftig der Wert der verdeckten Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft oder im Zeitpunkt der Überlassung des Vermögensgegenstands an die Gesellschaft, falls dies später erfolgt, auf die Geldeinlagepflicht des Gesellschafters angerechnet. Das führt nicht dazu, dass künftig der Geschäftsführer etwa in der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister versichern darf, die Geldeinlage sei zumindest durch Anrechnung erloschen und damit erfüllt, obwohl dies nicht der Fall ist. Es soll aber sichergestellt werden, dass der Gesellschafter die Einlage tatsächlich wertmäßig nur einmal zu leisten hat, er trägt indes die Beweislast für diese Werthaltigkeit.

6. Die neue Gesetzesfassung regelt auch die Fälle des sogenannten Hin- und Herzahlens der Einlage. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen sich der Gründer einer GmbH aufgrund einer Vorabsprache den als Bareinlage erbrachten Geldbetrag beispielsweise als Darlehen zurückzahlen lässt, ohne dass es sich dabei um einen Fall der verdeckten Sacheinlage handelt. Die bisherige Rechtsprechung geht in diesen Fällen davon aus, dass der Gesellschafter die Einlage nicht erbracht hat und später, ggfls. im Insolvenzfall, voll nachzuentrichten hat.

Nach der Neuregelung soll in solchen Fällen künftig Erfüllungswirkung der Einlageverpflichtungen eintreten, wenn die Zahlung an den Gesellschafter durch einen werthaltigen Rückgewähranspruch gedeckt ist und der Anspruch jederzeit, z.B. durch Kündigung der Gesellschaft, fällig gestellt werden kann. Anders als im Falle der verdeckten Sacheinlage bleibt die Einlageverpflichtung in diesem Falle allerdings in voller Höhe bestehen, wenn der Gegenleistungs- oder Rückzahlungsanspruch nicht werthaltig ist.

7. Bei der Gründung einer Einmann-Gesellschaft muss künftig keine Sicherheit mehr geleistet werden, wenn die Stammeinlagen nicht vollständig bei der Gründung erbracht werden.

8. Durch die Schaffung eines genehmigten Kapitals können die Geschäftsführer bereit im Voraus ermächtigt werden, das Stammkapital in einem Zeitraum von max. fünf Jahren nach der Eintragung um bis zum 50 % zu erhöhen, so dass die notarielle Beurkundungspflicht für jeden Einzelfall überflüssig wird.

9. In Zukunft sollen auch die Gesellschafter haften, die vorsätzlich oder grob fahrlässig einer Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Führung der Geschäfte überlassen. Die Haftung geht gegenüber der Gesellschaft auf den Schaden, der dadurch entsteht, dass diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzen. Ein typischer Anwendungsfall wird die Insolvenz der GmbH sein, der Insolvenzverwalter wird solche Ansprüche künftig routinemäßig prüfen und durchsetzen.

10. Künftig soll es deutschen Gesellschaften ermöglicht werden, einen Verwaltungssitz zu wählen, der nicht notwendig mit dem Satzungssitz übereinstimmt, um die Flexibilität der GmbH zu erweitern. Jedenfalls muss dem Registergericht eine inländische Geschäftsadresse angegeben werden, die im Handelsregister veröffentlicht wird. Zwar ist eine Geschäftstätigkeit außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zulässig, der statuarische Sitz muss jedoch im Inland bleiben, da eine Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland nach wie vor die Auflösung der GmbH zur Folge hat.

Um Zustellungen an die GmbH zu erleichtern, soll nun auch für juristische Personen eine in einem öffentlichen Register einsehbare Anschrift fixiert werden.

11. Um die Problematik der Rechtsprechung zur verbotenen Einlagerückgewähr zurückzuführen, wurden verschiedene Rechtsnormen geändert. In der Konsequenz kann künftig die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens nicht mehr unter Berufung auf eine analoge Anwendung des § 30 GmbHG verweigert werden. Etwaige Schutzlücken werden durch Regelungen des Anfechtungsrechts geschlossen. Die Rückzahlung eines Gesellschafterkredits soll während des normalen "Lebens" der Gesellschaft grundsätzlich unproblematisch sein und wird erst in der Insolvenz kritisch.

12. Durch weitere Neuregelungen soll die bisherige Rechtsprechung zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen aufgehoben werden. An Stelle dessen gelten künftig sämtliche Gesellschafterdarlehen oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, als nachrangig. Dies gilt unabhängig davon, ob solche Darlehen eigenkapitalersetzend sind oder nicht. Rückzahlungen auf solche Darlehen innerhalb eines Jahres vor Stellung eines Insolvenzeröffnungsantrages sollen anfechtbare Rechtshandlungen darstellen, mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter die Rückerstattung dieserhalb geleisteter Beträge verlangen kann.

Trotz der Aufgabe des Konzepts der eigenkapitalersetzenden Darlehen sind Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nur dann in der Überschuldungsbilanz nicht als Passiva anzusetzen, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner eine Rangrücktrittsvereinbarung geschlossen wurde. Aufgrund einer Neuregelung der Insolvenzordnung kann ein Gesellschafter, der einer GmbH Vermögenswerte zur Nutzung überlassen hat, künftig seinen Aussonderungsanspruch während der Dauer der Insolvenz, höchstens aber für eine Dauer von einem Jahr ab der Insolvenzeröffnung, nicht geltend machen. Für die weitere Nutzung wird dem Gesellschafter ein finanzieller Ausgleich gewährt.

13. Unter dem Topos der Missbrauchsbekämpfung wurden verschiedene Regelungen zur Registereintragung überarbeitet. U.a. wurde daher aufgenommen, dass künftig im Verhältnis zur GmbH nur noch der in einer im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste Eingetragene als Gesellschafter gilt. Es obliegt aufgrund der allgemeinen Sorgfaltspflicht den Geschäftsführern, bei Fehlern der Liste für eine Berichtigung zu sorgen.

Die Vorschrift bedeutet gleichwohl nicht, dass die Eintragung und die Aufnahme der Liste in das Handelsregister für den Erwerb des Geschäftsanteils Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Die Übertragung ist auch weiterhin unabhängig von der Eintragung in die Gesellschafterliste wirksam. Ohne die Eintragung in diese Liste bleibt dem Neugesellschafter allerdings die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte verwehrt. In diesem Zeitraum vorgenommene Rechtshandlungen sind zunächst schwebend unwirksam und werden wirksam, wenn der Gesellschafter unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in die Liste beim Handelsregister aufgenommen wird. Erfolgt die Aufnahme nicht unverzüglich, so sind Rechtshandlungen endgültig unwirksam. Dem eintretenden Gesellschafter steht ein eigener, klagbarer Rechtsanspruch auf Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister zu. Aus der Verletzung einer solchen Pflicht erwächst dem Gesellschafter ein Schadenersatzanspruch.

14. Im Bereich des Einstellungshindernisses für Geschäftsführer einer GmbH wurde u.a. beschlossen, dass der Straftatenkatalog um den Tatbestand des Betruges sowie die Sondertatbestände des Computer-, Subventions- und Kapitalanlagebetruges erweitert wird.

15. Bereits nach der bisherigen Rechtslage sind die Geschäftsführer einer GmbH der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung geleistet werden. Künftig sollen die Geschäftsführer auch für Zahlungen an Gesellschafter haften, die die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Folge haben mussten, es sei denn, dass dies aus Sicht eines sorgfältigen Geschäftsführers nicht erkennbar war. Dies soll z.B. auch dann der Fall sein, wenn zwar das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen nicht angetastet wird, aber Zahlungen in Rede stehen, die die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen. Die Gesetzeserweiterung richtet sich mithin gegen den Abzug von Vermögenswerten, welche die Gesellschaft bei objektiver Betrachtung zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt. Haftungsrisiken für den Gesellschaft bestehen indes nur dann, wenn die Zahlung ohne Hinzutreten weiterer Kausalbeiträge zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt; eine Haftung des Gesellschafters als Vermögensempfänger ist im Gesetzentwurf nicht vorgesehen.

Für den Geschäftsführer ist hierbei zu berücksichtigen, dass er grundsätzlich Gesellschafterweisungen auch dann zu befolgen hat, wenn er sie für unternehmerisch verfehlt hält. Diese Weisungsgebundenheit endet jedoch dort, wo der Geschäftsführer durch Ausführung der Weisung eine ihn treffende gesetzliche Pflichtverletzung vornehmen und sich selbst gegenüber der Gesellschaft ersatzpflichtig machen würde. Dementsprechend schneidet die neue Gesetzesfassung ausdrücklich dem Geschäftsführer den Einwand ab, er habe bei Auszahlung einen Beschluss der Gesellschafter befolgt. Im Zweifel hat der Geschäftsführer sein Amt niederzulegen, anstatt die von den Gesellschaftern gewünschte Zahlung vorzunehmen.

16. Die Rechtssicherheit im Bereich des Cash-Pooling soll durch die gesetzliche Neufassung hergestellt werden. Es handelt sich hierbei um das Instrument des Liquiditätsausgleichs zwischen Konzernunternehmen, das im Grundsatz ökonomisch sinnvoll ist. Durch die Gesetzesneufassung wird klar gestellt, dass das generelle Auszahlungsverbot für Vermögen, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist, für Leistungen nicht eingreift, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind.

17. Völlig neu ist im GmbH-Recht die Einführung der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen vorgesehen. Dieser greift allerdings nicht ein, wenn dem Erwerber die Nichtberechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder gegen die Eintragung des Veräußerers im Handelsregister (Gesellschafterliste) ein Widerspruch eingetragen worden war.

18. Nach derzeitiger Rechtslage ist bei Feststellung eines Insolvenzgrundes ausschließlich der Geschäftsführer zur Stellung eines Insolvenzantrages innerhalb einer Frist von 3 Wochen nach Feststellung dieses Umstandes verpflichtet. Mitunter entledigt sich ein Geschäftsführer dieser Pflicht durch Niederlegung des Amtes. In solchen Fällen der Führungslosigkeit der Gesellschaft werden künftig die Gesellschafter verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.

Die vorstehenden Ausführungen sind selbstverständlich nicht vollständig und müssen derzeit noch mit einem gewissen Vorbehalt betrachtet werden, da grundsätzlich weiterhin die Möglichkeit von Korrekturen des Gesetzesentwurfs besteht, u.a. auch durch Einfluss anderer Rechtsgebiete.