I. Steigender Fristendruck
II. Gesetzesvorhaben
III. Gestaltungshinweise für 2003
IV. Sozialvers., Lebensvers.
V. Zivilrecht
I. Steuerrechtliche Informationen/Hinweise
II. Sozialversicherung und Arbeitsrecht
III. Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer)
IV. Abgabenordnung, Strafrecht
V. Wirtschaftsrecht
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Kündigungsschutzrecht

Kündigungsschutzrecht - gesetzliche Neuregelungen

Mit Wirkung zum 01.01.2004 ist das Kündigungsschutzrecht durch Gesetz vom 24.12.2003 erheblich geändert worden.

1. Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung

Im deutschen Arbeitsrecht völlig neu wird nunmehr der Anspruch eines Arbeitnehmers auf eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses festgeschrieben. Hierfür sind folgende Voraussetzungen erforderlich:

a) Der Arbeitgeber hat wegen dringender betrieblicher Erfordernisse gekündigt;

b) der Arbeitgeber hat in der Kündigungserklärung darauf hingewiesen, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei verstreichen lassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann;

c) der Arbeitnehmer erhebt bis zum Ablauf der 3-wöchigen Klagefrist des § 4 KSchG keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.

Die gesetzliche Neuregelung ist also auf Fälle betriebsbedingter Kündigungen beschränkt und soll nach der Gesetzesbegründung auch nur ordentliche Kündigungen erfassen. Fraglich ist allerdings, ob es auch hinreichend ist, dass sich der Arbeitgeber lediglich auf eine solche Kündigung beruft oder aber, ob alle Voraussetzungen hierfür tatsächlich vorliegen müssen.

Überdies muss der Arbeitgeber auf den Abfindungsanspruch in der Kündigungserklärung und die Begründung der Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse hinweisen und auch darauf, dass der Arbeitnehmer bei Verstreichen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann; da die Klagefrist nunmehr nur noch dann läuft, wenn der Arbeitgeber schriftlich hierauf hingewiesen hat, ist die Schriftform außerordentlich bedeutsam. Solange die Rechtsprechung zu dem Hinweis des Arbeitgebers nicht einzelne Kriterien heraus gearbeitet hat, wird es sich empfehlen, sich streng am Wortlaut zu orientieren; ob es hinreichend ist, dass der Arbeitgeber mitteilt, nach Verstreichen der Klagefrist bestünde „Anspruch auf die gesetzliche Abfindung“ kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Zweifelhaft ist überdies, welche Folgen sich ergeben, wenn der Arbeitgeber den Hinweisen nach der gesetzlichen Neuregelung nicht genügt oder beispielsweise einen geringeren Betrag anbietet. Es wird dann wohl die gesetzliche Folge des Abfindungsanspruches nicht eintreten, im Gegenzug wird eine deshalb vom Arbeitnehmer verspätet eingereichte Kündigungsschutzklage zuzulassen sein.

Nach derzeitiger Erkenntnis ist die gesetzlich neu eingeführte Abfindung steuerlich im Rahmen der §§ 3 Ziff. 9, 34 i.V.m. 24 Ziff. 1 lit. a) EStG zu behandeln. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass seit dem 01.01.2004 die Obergrenze für die steuerfreie Abfindung auf € 7.200,00 gesenkt wurde, bei 50-jährigen Arbeitnehmern, deren Tätigkeit mindestens 15 Jahre bestanden hatte, auf € 9.000,00, und bei 55-jährigen, deren Tätigkeit mindestens 20 Jahre bestanden hat, auf € 11.000,00.

Von praktischer Bedeutsamkeit wird die Frage sein, wie ein etwaiger Abfindungsanspruch aus anderen Rechtsgründen, beispielsweise aus einem Sozialplan, im Verhältnis zu der neu eingeführten gesetzlichen Anspruchsgrundlage steht; eine automatische Verrechnung ist jedenfalls der gesetzlichen Situation nicht zu entnehmen, so dass hier Vorsicht geboten ist.

Ausdrücklich darauf hinzuweisen ist, dass mit der gesetzlichen Neuregelung - betriebsbedingte Kündigung gegen Abfindung - nicht sämtliche Probleme gelöst sind. Beispielswiese fehlt eine Harmonisierung der Regelung über die Erstattungspflicht für den Arbeitgeber bei der Entlassung älterer Arbeitnehmer. Zwar kann auch einem Arbeitnehmer, der die Schwellenwerte des § 147 a SGB III erreicht bzw. überschreitet (s. hierzu unsere Infos zum Januar 2004), nach der neuen gesetzlichen Regelung gegen Abfindungszahlung betriebsbedingt gekündigt werden. Arbeitsrechtlich betrachtet wird voraussichtlich dann keine weitere Überprüfung erfolgen und auch nicht erforderlich sein, dass tatsächlich ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorgelegen hat. Sozialversicherungsrechtlich verhält es sich aber so, dass es sich die Arbeitsbehörden vorbehalten, zu überprüfen, ob tatsächlich eine Betriebsbedingtheit der Kündigung gegeben war und die Kündigung somit tatsächlich nicht sozialwidrig war. Nur dann, wenn wirklich ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorgelegen hatte, können die Arbeitsbehörden im Falle der Entlassung des älteren Arbeitnehmers nicht verlangen, dass der Arbeitgeber für die neue Maximalzeit von 32 Monaten das Arbeitslosengeld erstattet; wegen der Einzelheiten verweisen wir auf unsere Mandanteninformation vom Dezember 2003. Wenn allerdings die Arbeitsbehörde davon überzeugt ist, dass eine Betriebsbedingtheit die Kündigung überhaupt nicht rechtfertigen kann, wird die Arbeitsbehörde trotz wirksamer arbeitsrechtlicher Erledigung des Vorganges Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes erheben.

2. Kriterien der Sozialauswahl

Nach der bisherigen Gesetzeslage und Rechtsprechung war es so, dass eine betriebsbedingte Kündigung rechtswidrig war, wenn hierbei „soziale Gesichtspunkte“ nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Zwar ist in der Praxis diese allgemeine Formel auf einige Gesichtspunkte konzentriert worden, eine abschließend verbindliche Festlegung der Kriterien existierte allerdings nicht. Nunmehr lautet die gesetzliche Konkretisierung, dass nur noch a) die Dauer der Betriebszugehörigkeit, b) das Lebensalter, c) die Unterhaltspflichten und d) die Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers berücksichtigt werden müssen; insbesondere letzteres Kriterium - Schwerbehinderung - ist neu und damit künftig unbedingt zu berücksichtigen. Unterhaltspflichten sollten sicherheitshalber beim Arbeitnehmer erfragt werden, da Fehler hierbei zu Lasten des Arbeitgebers gehen.

Ob der Arbeitgeber daneben noch andere Gesichtspunkte berücksichtigen darf, klärt die gesetzliche Situation nicht. Es wird wohl so sein, dass jedenfalls solche Gesichtspunkte außer Betracht bleiben müssen, die ausschließlich den privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers betreffen, wie z.B. dessen allgemeiner Gesundheitszustand. Beziehen sich Kriterien aber unmittelbar spezifisch auf einen Zusammenhang mit betrieblichen Gegebenheiten, wie z.B. Berufskrankheiten oder Folgen eines Arbeitsunfalls, so wird der Arbeitgeber diese wohl berücksichtigen dürfen.

Der Gesetzesverfasser geht im übrigen davon aus, dass allen vier Kriterien gleiches Gewicht zukomme; die häufig anzutreffende Tendenz, die Betriebszugehörigkeit besonders zu gewichten, ist damit künftig offenbar unzulässig.

Mangelnde Kenntnisse über die genannten Kriterien dürften im übrigen zu Lasten des Arbeitgebers gehen.

3. Einbeziehung von Arbeitnehmern in die Sozialauswahl

Nach der neuen Gesetzeslage sind in die Sozialauswahl solche Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs, im berechtigen betrieblichen Interesse liegt. Zunächst ist hierbei, wie bislang, der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer zu bestimmen und erst dann ggfls. zu entscheiden, ob vom Ergebnis der Sozialauswahl im Einzelfall aufgrund berechtigten betrieblichen Interesses abgewichen werden darf. Hierbei sind weiterhin sowohl betriebstechnische als auch unternehmensbezogene wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Welches Gewicht diese Gründe haben müssen, wird allerdings im Gesetzestext nicht erwähnt. Die Gesetzesbegründung lautet lediglich dahingehend, dass Leistungsträger, die sich für den Betrieb unentbehrlich gemacht haben, auch dann nicht entlassen werden müssen, wenn diese gegenüber anderen Arbeitnehmern sozial weniger schutzbedürftig sind.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zur bisherigen Gesetzesfassung eine Herausnahme eines Arbeitnehmers aus der Sozialauswahl gestattet, wenn auf ihn im Interesse eines geordneten Betriebsablaufs nicht verzichtet werden kann. Aus Vorsichtsgründen sollte die Orientierung auch künftig hieran ausgerichtet werden. Allerdings bleibt unklar, nach welchen Kriterien eine größere soziale Schutzbedürftigkeit einerseits und das Interesse des Arbeitgebers an der Herausnahme eines bestimmten Arbeitnehmers aus der Sozialauswahl andererseits zueinander in Verhältnis zu setzen sind. Hier ist danach zu fragen, ob das betriebliche Interesse gewichtig genug ist, um generell eine Ausnahme vom Prinzip der Sozialauswahl zu erfahren. Dies wird immer dann anerkannt werden müssen, wenn die Einbeziehung eines bestimmten Arbeitnehmers in die Sozialauswahl für den Arbeitgeber einen Nachteil von einiger Erheblichkeit bewirken würde oder sich für ihn bei der Herausnahme eines Arbeitnehmers aus der Sozialauswahl ein Vorteil von geringerem Gewicht ergäbe.

4. Klagefrist künftig für alle Unwirksamkeitsgründe

Bislang war es so, dass die 3-wöchige Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage nur dann eingehalten werden musste, wenn die Klage auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung gestützt wurde. Andere Unwirksamkeitsgründe waren grundsätzlich hiervon nicht betroffen, so dass diese anderen Gründe nicht innerhalb von 3 Wochen mittels Klageerhebung angeführt werden mussten.

Lt. der gesetzlichen Neufassung ist dies anders, nunmehr ist die 3-wöchige Klagefrist für sämtliche Unwirksamkeitsgründe einer Kündigung zu beachten, unter Einbeziehung der unter Ziff. 5 dargestellten Kleinunternehmensfälle, allerdings mit einer bedeutsamen Ausnahme, nämlich der mangelnden Schriftform.

5. Kleinunternehmerregelung - Schwellenwert wieder angehoben

Bislang war es so, dass das Kündigungsschutzgesetz bereits dann Anwendung fand, wenn in der Regel fünf Arbeitnehmer beschäftigt wurden. Künftig heißt es nach § 23 KSchG, dass in Betrieben (nicht: Unternehmen) und Verwaltungen, in denen in der Regel 10 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt werden, nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen. Im übrigen gilt die Ausnahme, dass die Neuregelung erst für Arbeitnehmer gilt, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat.
Das neue Kündigungsschutzrecht greift mithin künftig erst dann ein, wenn rechnerisch mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Daher gilt: Für die bereits vor dem 01.01.2004 eingestellten Arbeitnehmer bleibt es allerdings bei dem bisherigen Recht. Mit dem erstmaligen Absinken der Zahl der bereits vor dem 01.01.2004 beschäftigten Arbeitnehmer auf 5 oder weniger geht der Kündigungsschutz allerdings für alle „Altarbeitnehmer“ verloren. Man wird davon ausgehen müssen, dass grundsätzlich diejenigen Beschäftigten, die nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, vor den anderen zu entlassen sind, so dass es nicht zu einer beide Gruppen einschließenden Sozialauswahl kommt. Dies steht allerdings derzeit noch nicht verbindlich fest.

6. Neue Befristungsregelungen für Unternehmensgründer

Für neu gegründete Unternehmen ist über die Erleichterungen beim Kündigungsschutzgesetz eine weitere gesetzliche Neuregelung beachtlich. Nach § 14 Abs. 2 a TzBfG kann unter den dort näher geregelten Voraussetzungen in den ersten 4 Jahren nach der Gründung eines Unternehmens die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne sachlichen Grund bis zur Dauer von 4 Jahren erfolgen; bis zu dieser Gesamtdauer kommt überdies auch eine beliebig häufige Verlängerung in Betracht.

7. Kollektivrechtliche Vereinbarungen über die Auswahlkriterien für die Sozialauswahl

Die neue Rechtslage sieht in § 1 Abs. 5 KSchG vor, dass Regelungen in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder in Richtlinien nach dem Personalvertretungsgesetz über die Bewertung der sozialen Gesichtspunkte in ihrem Verhältnis zueinander nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden können. Dies bedeutet eine Änderung insofern, als nach der früheren Regelung die Sozialauswahl insgesamt nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden konnte.

Bei einem Interessenausgleich mit Namensliste muss in jedem Fall zunächst einmal eine relevante geplante Betriebsänderung im Sinne des § 111 Betriebsverfassungsgesetz vorliegen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, können die o.g. Wirkungen auch nicht durch einen freiwilligen Interessenausgleich herbeigeführt werden. Im übrigen betrifft die sachliche Reichweite des § 1 Abs. 5 KSchG nur betriebsbedingte Kündigungen, die im Rahmen einer geplanten Betriebsänderung ausgesprochen werden. Außerdem werden nur Kündigungen solcher Arbeitnehmer erfasst, die vom Betriebsrat repräsentiert werden, daher erstreckt sich die Wirkung insbesondere nicht auf leitende Angestellte. Die Regelung gilt sowohl für die Beendigungs- als auch für die Änderungskündigung.

Notwendig ist überdies, dass die jeweiligen Arbeitnehmer namentlich benannt werden. Vermutet wird in der Wirkung dann, dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt, dem Arbeitnehmer obliegt dann der Beweis des Gegenteils. Die Überprüfung der Sozialauswahl ist in der Folge auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt, dies betrifft die Richtigkeit der Sozialauswahl in jeder Hinsicht, also auch die Frage der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer und der Herausnahme bestimmter Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl. Grob fehlerhaft ist die Sozialauswahl nach der bisherigen Ansicht des BAG dann, wenn die Gewichtung der Kriterien jede Ausgewogenheit vermissen lässt, wenn also „ein ins Auge springender, schwerer Fehler“ vorliegt. Nur dann, wenn nach zustande kommen des Interessenausgleichs wesentliche Änderungen an der Sachlage gegeben sind, entfällt die vorgenannte Regelungswirkung.

Die Parteien solcher Vereinbarungen sind daher gut beraten, bereits im Interessenausgleich Regelungen darüber zu treffen, wie verfahren werden soll, wenn entgegen der ursprünglichen Planung nicht alle in der Namensliste genannten Arbeitnehmer entlassen werden müssen.



Neue BGH-Rechtsprechung